Roland Geiger zeigte auf, was man in notariellen Verträgen alles finden kann!
Der Ahnenforscher Stammtisch Unna ist seit über 20 Jahren international dafür bekannt, in seinen Veranstaltungen Informationen zur genealogischen Forschungspraxis zu liefern. So auch am Donnerstag, dem 9. November 2023 als es darum ging, eine wenig beachtete Forschungsquelle vorzustellen, nämlich alte notarielle Verträge. Dabei legt der Stammtisch großen Wert darauf, dass Wissen nicht trocken wissenschaftlich, sondern locker, verständlich und unterhaltsam dargebracht wird. Ein Garant dafür ist Roland Geiger aus St. Wendel.
Von Georg Palmüller
Hand aufs Herz! Wer denkt schon daran, auf der "Jagd" nach Informationen über Vorfahren und deren Familienangehörigen alte notarielle Verträge in den Landesarchiven zu sichten? Das ist eigentlich sehr schade, denn in diesen alten Akten finden sich familiengeschichtlich sehr interessante Informationen, die Leben in die triste Datenwelt des eigenen Familienstammbaums bringen.
Der Referent Roland Geiger, allseits bekannt für seine unnachahmliche Art der Darbietung von Themen rund um die Ahnenforschung, begann seinen Online-Vortrag beim Ahnenforscher Stammtisch Unna mit einem kurzen Überblick über die "Provinz", in der er lebt, warum er diese Region als Beispiel für den Inhalt seiner Präsentation ausgewählt hat und erläuterte dabei auch die wechselhafte Geschichte, in der seine Vorfahren mal die deutsche und mal die französische Staatsbürgerschaft besaßen.
Der Referent stellte zunächst die Region vor, in der er lebt und warum er diese Region als Beispiel für seinen Vortrag wählte.
Die Region erlebte eine wechselhafte Geschichte und Roland Geigers Vorfahren waren mal Deutsche und auch mal Franzosen.
Anschließend erläuterte der Referent die Rechtsgebiete der Notare und die Zuständigkeiten. Da alten abgeschlossenen Akten werden von den Notaren zunächst an das zuständige Amtsgericht zur Aufbewahrung übergeben. Das Amtsgericht gibt sie zumeist aus Platzgründen nach einiger Zeit an das zuständige Landesarchiv zur endgültigen Aufbewahrung weiter. Dort kann man sie einsehen, sofern datenschutzrechtlich der Einsichtnahme nichts mehr entgegensteht.
Roland Geiger zeigte auch auf, in welchem Zustand sich alte Notariatsakten befinden können. Da ist bei der Einsichtnahme höchste Vorsicht geboten, um weitere Beschädigungen an der Akte zu vermeiden.
Na dann "Mahlzeit"! Wer solche Akten einsehen möchte, sollte äußerste Vorsicht walten lassen!
Der inhaltliche Aufbau von notariellen Beurkundungen ist immer nach dem gleichen Schema aufgebaut.
Dann widmete er sich den Testamenten und Eheverträgen, die in den alten Akten zu finden sind und brachte einige Beispiele. Dabei sind notarielle Beurkundungen im Aufbau fast immer gleich: Ort und Datum der Beurkundung, wer ist der Notar, die handelnden Parteien, der Sachverhalt, die Beurkundung und zuletzt die Unterschriften der Beteiligten.
Ein eindrucksvoller mehrseitiger Ehevertrag. Nun gilt es, die Handschrift entziffern zu können.
Roland Geiger erläuterte anschaulich den Inhalt und dabei den Aufbau dieses alten Vertrages.
Noch interessanter werden die alten Akten, wenn man während seiner familiengeschichtlichen Forschungsarbeit festgestellt hat, dass Familienangehörige Haus und Hof versteigern ließen, weil sie einen neuen Wohnort weiter weg bezogen oder gar nach Amerika auswanderten. Hier wurde notariell festgehalten, welche Gegenstände aus dem Haushalt bei den Versteigerungen wieviel Geld einbrachte und wer der neue Eigentümer wurde. So nicht nur beim Mobiliar, sondern auch bei den Immobilien. Schmunzelnd und ungläubig die Reaktion des Vortragspublikums aus aller Welt im Zoom-Meeting-Raum darüber, dass der Misthaufen hinter dem Bauernhaus oft viel mehr Geld einbrachte als andere Haushaltsgegenstände. Denn für die Bauern war ein guter Misthaufen viel wert. Auch zu den Versteigerungen gab es wieder viele Beispiele, die solche Verträge veranschaulichten.
Am Schluss der Beurkunden unterzeichneten alle Beteiligten eigenhändig. Der Pfeil zeigt auf ein "+". Dieses Handzeichen machte eine Beteiligte, da sie des Schreibens nicht mächtig war.
Bei einer Versteigerung aufgrund einer Haushaltsauflösung kam jeder Gegenstand unter den Hammer.
Unglaublich! Der Misthaufen hinter dem Haus brachte sehr oft mehr Geld ein, als andere Haushaltsgegenstände. Denn Misthaufen waren für Bauern eine wertvolle Investition.
Versteigerungen von Haus und Hof bei einem Wohnortwechsel oder bei einer Auswanderung nach Amerika wurden vom Notar sogar in Tageszeitungen angekündigt.
Zum Schluss seines sehr interessanten, informativen, unterhaltenden und humorvollen Online-Vortrag zeigte Roland Geiger noch kuriose Funde in Versteigerungsakten, die damals interessierte Käufer fanden. So zum Beispiele eine private Bibliothek mit Literatur, dessen Bilder durch den Referenten erst jugendfrei gemacht werden mussten, um Einzug in den Vortrag finden zu können
Weilte man bereits in der Neuen Welt, konnte man Familienangehörige in der alten Heimat per Vollmacht mit der Führung von Geschäften ernennen.
Nicht jugendfrei war die Literatur, die bei der Auflösung einer privaten Bibliothek per Versteigerung neue Liebhaber fand.
Ein außerordentlicher Ratgeber aus dem Jahr 1783 als "Trostschrift für Mädchen, welche längst verheurathet zu sey wünschen", fand auch einen Käufer.
Damit auch alles immer weiterhin gut klappt, ersteigerte ein Vater von 10 Kindern den Ratgeber "Der Beischlaf".
Ein äußerst hervorragender Online-Vortrag, der dem international zusammengesetzten Teilnehmerkreis des Ahnenforscher Stammtisches Unna Appetit darauf machte, zur Erforschung der eigenen Familiengeschichte in die Landesarchive zu gehen und dort Ausschau nach den alten notariellen Verträgen zu halten, um dort weitere Informationen zu den eigenen Vorfahren und deren Familienangehörigen zu suchen. Damit war das Ziel dieses Vortrages erreicht und Roland Geiger konnte sich der vielen lobenden Kommentare im Zoom-Chat erfreuen.
Anschließend stand der Referent noch für Fragen und Diskussionen zu seinem Vortragsthema zu Verfügung.