Erstklassiger Online-Vortrag „Datumsangaben entschlüsseln in Kirchenbüchern und anderen Dokumenten“ von Andreas Stephan lässt bei Teilnehmern ein Riesen-Fragezeichen zurück!
„Dieser Vortrag war toll, hat mich aber völlig verunsichert, ob ich bei meinen Vorfahren beim Zurückrechnen von Ereignisdaten bei den verschiedenen parallel existierenden Kalendern damals die richtigen Daten eingetragen habe! Da hat sich bei mir ein Riesen-Fragezeichen aufgetan!“, fasste der Moderator des Online-Abends des Ahnenforscher Stammtisches Unna am 10. Oktober 2024, Georg Palmüller, den erstklassigen Vortrag von Andreas Stephan zusammen. Und so wie Georg wird es an dem Abend wohl auch vielen der 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmern im Zoom-Meeting-Raum ergangen sein! Was war passiert?
Von Georg Palmüller
Der Ahnenforscher Stammtisch Unna ist seit seiner Gründung im Jahre 2001 dafür bekannt, lehrreiche Vorträge für die eigene Forschungspraxis anzubieten. So auch an diesem Abend, als er Andreas Stephan einlud, seinen Vortrag „Datumsangaben entschlüsseln in Kirchenbüchern und anderen Dokumenten“ darzubringen. Das internationale Interesse an dem Vortrag war so groß, dass kurz vor Beginn bereits die maximal mögliche Zahl von 100 Teilnehmern im Zoom-Meeting erreicht wurde und viele Interessierte darauf warten mussten, einen Platz zu ergattern, in dem Teilnehmer das Meeting verließen.
„Was ich nach wenigen Minuten schon alles gelernt habe!“, lautete der schriftliche Kommentar eines Teilnehmers im Chat. Denn Andreas Stephan legte sofort los! Zunächst erläuterte er das grundsätzliche Problem eines jeden Kalenders, der durch Schaltjahre angepasst werden muss, um ein korrektes Jahr abzubilden.
Die wesentlichste Kalenderreform für den Betrachtungszeitraum der nach ihren Vorfahren Forschenden war die Umstellung auf den Gregorianischen Kalender im Jahre 1582. Allerdings fangen dort schon die Probleme an. Denn nicht überall wurde, wie im Kirchenstaat, großen Teilen Italiens, Spaniens, Portugals und Polen-Litauens am 5. Oktober 1582 umgestellt! Dabei gab es einen Sprung vom 5. Oktober des julianischen Kalenders direkt auf den 15. Oktober des neuen Kalenders. Die dazwischen liegenden 10 Tage gab es in dem Jahr nicht. In Appenzell wurde erst über 200 Jahre später, am 14. Dezember 1798 mit einer Differenz von 13 Tagen auf den 25. Dezember umgestellt. Den Heiligen Abend am 24. Dezember gab es in dem Jahr in Appenzell nicht! Teile der Niederlande stellten am 2. Januar 1583, die Hessischen evangelischen Staaten erst am 18. Februar 1700 und ganz zuletzt Griechenland erst am 16. Februar 1923 auf den Gregorianischen Kalender um!
Die wesentlichste Kalenderreform war die Umstellung auf den Gregorianischen Kalender, die aber in Europa nicht zeitgleich erfolgte.
Deutschland bestand aus einem Flickenteppich von Herzogtümern, Fürstentümern und Grafschaften, mit unterschiedlichen Religionen.
Zu diesem Zeitpunkt wurde vielen Teilnehmerinnen und Teilnehmern schon klar, dass in Europa lange Zeit zeitgleich verschiedene Kalender nebeneinander existierten! Während in katholischen Regionen des damals in einem Flickenteppich von Kleinststaaten, Grafschaften und Herzogtümern zerrupften Deutschlands der gregorianische Kalender galt, wurde in den evangelischen Staaten erst 1700 gewechselt. Wenn unsere Vorfahren in Deutschland umherreisten, mussten sie diese verschiedenen Kalender beachten. Dies betraf insbesondere Handelsleute und Marktbeschicker, die ihre Waren in verschiedenen Gegenden feilboten.
Das weitere Problem, was sich für uns Ahnenforscher stellt, sind Altersangaben von Verstorbenen in kirchlichen Aufzeichnungen, die wir dann auf ein Geburtsjahr oder sogar auf einen Geburtstag zurückrechnen müssen. Trafen diese Ereignisse bei einer Person gerade in den Umstellungszeitraum oder aber wurde der Vorfahre in einem Ort geboren und getauft in dem der julianische Kalender galt und ist sein Tod in einem Ort eingetragen, in dem bereits der Gregorianische Kalender Gültigkeit besass, müssen wir bei der Rückrechnung die verschiedenen Kalendersysteme berücksichtigen!
Hier wurde ein Täufling im Juli nach altem julianischen Kalender (St. vet.) geboren und starb in Osnabrück im August nach neuem Gregorianischen Kalender (St. nov.).
Die lateinischen Monatsbezeichnungen sind heute noch überwiegend gültig. Allerdings begann das Jahr ab dem Jahr 153 mit dem Januar. Vorher begann es mit dem März.
Hand aufs Herz! Wer von uns hat daran gedacht? Es kann also möglich sein, dass wir bei der Erfassung von Personendaten in unserer Genealogie entscheidende Fehler gemacht haben!
Andreas Stephan zeigte auf, wie man sich damals beholfen hat, Ereignisse wie zum Beispiel Wochenmärkte in Druckwerken in den verschiedenen zeitgleich geltenden Kalendersystemen darzustellen, um den Menschen eine Hilfe an die Hand zu geben.
Im nächsten Teil seines exzellent recherchierten und bebildert ausgearbeiteten Vortrages ging der Referent auf die Angabe von lateinischen Monaten und ihren Abkürzungen in den Kirchenbüchern ein. Aber hatte ein Pfarrer ein Faible für deutsche Monatsnamen und verwendete diese, stehen wir Ahnenforscher wieder vor Rätseln! Welcher Tag war der 20. Hornung oder der 15. Tag im Wendert? Auch dies erläuterte Andreas Stephan in anschaulichen Übersichten.
Römische Jahreszahlen! Immer der Klassiker in überwiegend katholischen Kirchenbüchern. Pfarrer schrieben manchmal sogar ein komplettes Datum in dieser Form!
Versteckte Jahresangaben in lateinischen Sprüchen. Erkennbar durch Großbuchstaben in den Wörtern. Da muss man erst einmal darauf kommen!
Was aber, wenn des Pfarrers Hobby die Verwendung und Niederschrift von Tauf-, Heirats- und Sterbeeinträgen mit Datumsangaben in römischen Zahlen war? Eine harte Nuss, die für uns zu knacken ist. Auch hier erschienen anschauliche Erläuterungen und praktische Fälle aus Kirchenbüchern auf den Bildschirmen der faszinierten Zuschauer aus aller Welt.
Pfarrer und Kirchenbuchschreiber, die der Nachwelt größte Rätsel hinterlassen wollten, versteckten zum Beispiel Jahresangaben in lateinischen Sätzen, in dem sie einige Buchstaben größer darstellten. So kann man aus dem Satz „PaX DoMInI JesV pIus gVbernat ConIVges“ (Der Friede des Herrn Jesus führe die Eheleute) aus der Zusammenziehung der Großbuchstaben zum Ergebnis MDCXVVVIIII das Jahr 1629 entschlüsseln! Auch diese Eintragungen zeigte der Referent als Screenshots aus den Kirchenbüchern dem staunenden Publikum.
Schlag auf Schlag ging es munter weiter! Als seien diese rätselhaften Kirchenbucheintragungen noch nicht genug, gab es Pfarrer, die in den Eintragungen komisch anmutenden Zeichnungen, zum Beispiel vor der Datumsangabe einen Kreis mit einem Punkt in der Mitte oder einen Kreis mit einem „+“ am unteren Rand hineinmalten. Wer hätte gedacht, dass es sich dabei um die Bezeichnungen für die Wochentage handelte?
Zum Schluss zeigte Andreas Stephan noch „exotische“ Kalender, wie zum Beispiel den „Schwedischen Kalender“, den „Sowjetischen Revolutionskalender“ und natürlich (wer kennt ihn nicht?) den „Französischen Revolutionskalender“ auf.
"Der dritte Sonntag nach Trinitatis". Welches Datum war das im betreffenden Jahr? Dazu muss man die Kirchensonn- und -feiertage ermitteln.
Wer kennt ihn nicht, den Kalender der Fränkischen Republik? Wo die Stunde 100 Minuten hatte?
Erwähnenswert als große Hilfe für die Umrechnung von Datumsangaben in verschiedene Kalendersysteme sind die „GenTools 6“, die man als Software aus dem Internet herunterladen kann. Oder beispielsweise die Genealogie-Software „GES 2000“, bei der man bei der Datumseingabe den betreffenden Kalender angeben kann.
Ein Online-Vortrag der Extraklasse! Fast jede Minute konnten die Zuschauer wieder etwas Neues lernen! Im Endeffekt lässt der Vortrag viele, genau wie den Moderator des Abends, Georg Palmüller, daran zweifeln, ob man die Daten der Vorfahren im Genealogieprogramm und in der Familienchronik korrekt berechnet und erfasst hat! Gerade in der Zeit der Kalenderwechsel mit parallel existierenden verschiedenen Kalendersystemen! Ein lehrreicher Vortrag für alle Ahnenforscherinnen und Ahnenforscher, den man sich auch noch anschauen kann, wenn man den Termin 10. Oktober 2024 verpasst hat. Der Referent hatte einer Aufzeichnung zugestimmt, die auf dem YouTube-Kanal des Ahnenforscher Stammtisches Unna veröffentlicht wurde.